Ich habe Dich in meine Hand geschrieben... (Jesaja 49)
Am 21.10.2024 gab unsere liebe Sr. Maria Hermengild (Gertraud) Hanner, OSF ihr Leben in Gottes Hand zurück. Ihr Tod reißt eine große Lücke und wenn wir auch als Christen wissen, dass sie nun daheim bei Gott ist, so sind wir gerade einfach nur traurig.
Sr. Hermengild wurde am 11. September 1937 in Mühltal / Kreis Bogen (Diözese Regensburg) geboren. Traudel war das fünfte Kind ihrer Eltern Maria und Johann Hanner, die eine kleine Landwirtschaft betrieben. Der Vater arbeitete in den Bayerischen Dachziegelwerken in Bogen. In ihren Erinnerungen schreibt Sr. Hermengild: „In meiner Familie durfte ich eine schöne und frohe Kindheit erleben trotz der Angst und Sorge, die der 2. Weltkrieg mit sich brachte. Ganz selbstverständlich wurden wir Kinder zu verantwortlicher Mitarbeit im Elternhaus und zu einem im Glauben und Gebet geprägten Leben erzogen und waren in der Pfarrgemeinde Degernbach beheimatet.“
Die Familie blieb ein wichtiger Bezugspunkt für Sr. Hermengild. Sie litt sehr darunter, dass ihre leibliche Schwester, Sr. Seraphia Hanner, OSF, mit nur 40 Jahren starb. Glück und Leid ihrer Angehörigen trug Sr. Hermengild ihr Leben lang mit. Vor allem mit ihren Nichten und Neffen war sie immer sehr verbunden.
Gertraud besuchte von 1943 bis 1951 die Volksschule in Degernbach, im Anschluss die Hauswirtschaftliche Berufsschule der Dillinger Franziskanerinnen in Straubing und die Handelsschule in Dillingen. Von 1954 bis 1957 machte sie in der Frauenfachschule in Maria Medingen die Ausbildung zur Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin und besuchte danach den Pädagogischen Lehrgang in München / Pasing, den sie mit der Ersten Lehramtsprüfung abschloss.
Seit ihrer Kindheit hatte sie den Wunsch nach einem intensiven Leben mit Gott. Er erfüllte sich im November 1957 mit der Aufnahme in das Postulat in Dillingen. Am 26.08.1958 wurde sie in das Noviziat aufgenommen. Nach der Erstprofess am 27.08.1959 wurde Sr. Hermengild in den Konvent in Senden versetzt, wo sie gute erste Konventerfahrungen machen durfte. Dort trat sie den Vorbereitungsdienst als Lehramtsanwärterin an, den sie 1961 mit der Zweiten Lehramtsprüfung abschloss. Weil sie auch sehr gerne das Fach Religion unterrichten wollte, besuchte sie in dieser Zeit religionspädagogische Seminare zur Vorbereitung für die Erlangung der Missio Canonica, die ihr 1959 erteilt wurde.
Zu Schuljahresbeginn 1961 führte der Weg in das unterfränkische Mömlingen. Während ihrer Zeit dort feierte sie ihre Profess auf Lebenszeit am 31.08.1964. An der Grund- und Hauptschule war sie von 1961 bis 1977 als Handarbeits- und Hauswirtschaftslehrerin tätig. Ihre Zeit in Mömlingen beschreibt sie so: „Das Eingebundensein in die lebendige Pfarrgemeinde mit verschiedenen Aufgaben wie Krankenbesuch, Kirchenschmuck, Mitwirken im Jugendausschuss war für mich bereichernd und prägend. Das II. Vatikanische Konzil wurde in Pfarrei und Konvent sehr aufmerksam und wach miterlebt.“ In dieser Aufbruchszeit spürte sie den Impuls, sich erneut der Theologie zuzuwenden. Sie belegte nebenberuflich den Theologischen Fernkurs der Diözese Würzburg (1973 – 1975), setzte sich intensiv mit theologischen Fragen auseinander, fand neue Zugänge zur Heiligen Schrift und ließ das persönliche und gemeinschaftliche geistliche Leben davon prägen. Sr. Hermengild blieb ihr Leben lang eine Lernende, die sich auch auf neue, ungewohnte Denkweisen einlassen wollte und konnte und sich mit anderen gern dazu austauschte. 1977/78 durfte sie den Jahreskurs im Institut der VOD (= Vereinigung der Ordensoberinnen Deutschlands) in München besuchen. Er diente ihr auch dazu, sich auf die Leitung des Noviziates der Provinz Bamberg vorzubereiten, zu der sie ihr „Ja“ gegeben hatte, auch wenn ihr der Abschied von Mömlingen schwerfiel.
1978 startete ein kleiner Noviziatskonvent in einer Mietwohnung in Bamberg, 1980 zog die Noviziatsgruppe in das neu erbaute Montanahaus um und half mit, das Haus zu gestalten. Sr. Hermengild lag es sehr am Herzen, die individuellen Prägungen und Bedürfnisse der Novizinnen zu respektieren, feinfühlig Impulse zur Weiterentwicklung zu geben, die Balance zwischen Orientierung und Freiheit zu halten. Es war ihr wichtig, die Liebe zur Bibel und zu Franziskus, zur Liturgie und zur Gemeinschaft zu fördern. Im Team der Berufungspastoral engagierte sie sich in der Gestaltung von Informationstagen, Besinnungswochenenden, Tagen religiöser Orientierung für Schulklassen und in der Begleitung junger Menschen. Parallel zu ihren Aufgaben in der Ordensgemeinschaft war Sr. Hermengild von 1978 bis 2001 am E.T.A.-Hoffmann-Gymnasium Bamberg als Religionslehrerin eingesetzt. Sie liebte den Kontakt mit jungen Menschen und den anregenden Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, den sie auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Schuldienst gerne pflegte. Nachdem sie 1997 die Noviziatsleitung abgegeben hatte, verbrachte Sr. Hermengild jeweils zwei Jahre in den Konventen Hallstadt und Bamberg Maria Hilf. In dieser Zeit war sie verstärkt in der Erwachsenenpastoral tätig und vertiefte ihre Begabung, meditative Tänze anzuleiten. Im Montanahaus und in umliegenden Pfarreien, später auch an anderen Orten lehrte sie Menschen, „mit Leib und Seele“ zu beten, und schenkte so vielen einen neuen Zugang zu Glauben und Spiritualität.
Im September 2001 ließ sie sich erneut auf eine gravierende Veränderung ein: Sie ging mit zwei Schwestern nach Alt-Buchhorst, wo die Bamberger Provinz auf Anfrage von Kardinal Sterzinsky in der dortigen Jugendbildungsstätte des Erzbistums Berlin einen neuen Konvent gründete. Als franziskanische Lebens- und Gebetsgemeinschaft präsent zu sein, war die Hauptaufgabe der Schwestern. Sie übernahmen aber auch konkrete Aufgaben wie Belegungsplanung, Kursbegleitung und direkte Mitarbeit in den Gruppen. Zehn Jahre lang war Sr. Hermengild dort im Einsatz und ließ sich auf neue Begegnungen mit Gästen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Nachbarn ein. Hier wie überall, wohin das Leben sie geführt hatte, identifizierte sie sich mit den pastoralen Aufgaben vor Ort und übernahm Verantwortung für das Ganze. In der weitverstreuten Diaspora-Gemeinde rund um das Jugendbildungshaus besuchte sie alte und kranke Menschen und brachte ihnen die Krankenkommunion.
Ab 2011 war Sr. Hermengild wieder Mitglied des Montanahauskonventes. Sie brachte sich ein, wo sie gebraucht wurde: ob Begrüßung von Gästegruppen oder Pfortendienst, ob Mitgestaltung der Liturgie oder meditative Tanzabende für Erwachsene, Abiturientinnen, Ministrant*innengruppen, ob Führung der Konventchronik oder Mitwirkung bei Räumungsarbeiten – es war ihr nichts zu viel. In Mömlingen, Hallstadt und Alt-Buchhorst war sie bereit, die Konventleitung zu übernehmen, im Montanahauskonvent war sie ab 2018 als Vikarin in der Leitungsverantwortung.
Mit viel Gespür begleitete Sr. Hermengild bis ins hohe Alter Menschen auf ihrem geistlichen Weg. Sie war eine Menschenfreundin, die auf leise Art und mit viel Humor an allen ihren Einsatzorten nachhaltig wirkte.
Ab dem Jahr 2023 meldete sich ihr „Bruder Esel“ immer deutlicher. Das Herz war erschöpft. Medizinisch war nicht mehr viel möglich. Bei einem Krankenhausaufenthalt im Bamberger Klinikum im November 2023 erfuhr sie, dass sie nahe an der Grenze zum Tod war und ein plötzlicher Herztod jederzeit eintreten konnte. Die Zeit danach erlebten wir mit ihr als Geschenk. Sr. Hermengild konnte das Leben genießen, freute sich an Begegnungen, nahm regen Anteil am Leben im Montanahaus, im Orden, in Kirche und Welt – und wirkte gerne mit, wo es ihre Kräfte zuließen. Bewusst bereitete sie sich auf ihr Sterben und auf ihren Tod vor, sie regelte Geistliches und Praktisches. Ab dem 08. Oktober ließen die Kräfte so nach, dass Sr. Hermengild bettlägerig wurde. Sr. Carmen Gergele begleitete sie mit Hingabe, sehr gut unterstützt vom ambulanten Palliativdienst Bamberg. Sr. Hermengild war sehr dankbar dafür, im vertrauten Umfeld heimgehen zu dürfen. Sie liebte den Blick in den herbstlichen Garten und verspürte die Sonne beim offenen Fenster. Bis fast zuletzt nahm sie die Mitschwestern wahr, fragte sie, wie es ihnen geht. In den Phasen des Bewusstseins wurde deutlich, wie tief verwurzelt sie im Glauben war, der sie auch durch die letzten schweren Tage trug. „Alles ist gut, weil wir einen guten Vater haben.“ „Ich bin dankbar, dass ich so viel Schönes erleben durfte.“ „Der Herr empfängt mich und nimmt mich an der Hand.“ In ihren Erinnerungen steht als letzter Satz: „Im Rückblick auf meine Lebensjahre ist mir die Erfahrung wichtig, dass Gott alle Wege und Umwege mitgeht und dass wir in seiner Hand gut aufgehoben sind.“ Mit ihr vertrauen wir darauf, dass Gott ihre Hoffnung nicht enttäuschen wird.
Sr. Hermengilds Angehörigen sprechen wir unsere Anteilnahme aus. Wir danken allen, die ihr im Leben und Sterben verbunden waren und ihr beigestanden haben.
Ihre / Eure Schwester Martina mit den Schwestern des Provinzrates